Seite 3: Begegnungen mit dem Tod in Klausheide

Als ich das erste Mal mit dem Tod - also mit einem Toten konfrontiert wurde, war ich satte 11 Jahre alt. Obwohl ich auf den Tod eines Klosterbruders vorbereitet wurde überraschte mich dessen Tod extrem brutal und die Nachwehen dieser Toderfahrung suchten mich mit allem was man als kleiner Mensch überhaupt nicht gerne möchte – wie ein Fegfeuer heim. Von diesem Tag an war das himmlische Gericht Bestandteil meines Lebens. Alpträume, schweißnasses Aufwachen mitten in der Nacht wurden und sich in den Schlaf zittern und quälen, waren meine Begleiter für die nächsten 3 Monate.  Alleingelassen, den schlimmsten Fantasieren ausgesetzt – mussten wir kleinen Dötze aushalten was der Tod umwarf. war. 

Der Anstaltskrankenpfleger Bruder Klemenz ließ uns Wochen vorher immer wieder in das Krankenzimmer treten um ihm vorzusingen und Gedicht zu erzählen. Ein ritualer Morgenappell. Der alte Mann lag eher regungslos und stöhnend, geistig abwesend in seinem Holzbett und bekam von dem was wir sangen und beteten gar nichts mit. Ich glaube der wusste überhaupt nicht dass jemand im Raum war. Doch immer wieder wurden wird in dessen stinkendes und nach Tod riechendes Zimmer getrieben.

Es befand sich auf unserer Untergruppen Etage und war eines der ersten zwei Zimmer links der Eingangstür. Eines Nachts hörten wir reges Huschen, heischen und leises hastiges Sprechen. Der Bruder war wohl gestorben. Heimgegangen wie es hieß.  Wohl deshalb wurde er eilig abtransportiert. Nur zwei Kerzen auf hohen messingglänzenden Ständern die morgens vor der Tür des Zimmers standen zeugten von dem Ritual der letzten Salbung und Ölung.

Was dann folgte war nichts für meine schwachen Kindernerven und ließ mich wochenlang schlecht schlafen. Die  Leiche wurde in einer in der Nähe des Schwimmbades befindlichen Räumlichkeit verbracht und dort aufgebahrt. Eine Räumlichkeit die schnell zur Leichenhalle umfunktioniert wurde und in die wird nun mit der gesamten Gruppe hinein mussten um den Toten Bruder zu besuchen. Oh Gott. So sah also ein Toter aus. Wachsgelbes Gesicht und blaue Lippen, lange dörre wächsern farbene Finger, dessen blau Enden als Fingernägel Eindruck machten und mich das Grausen lehrte. Es packte mich. Erst recht - als einer der anwesenden Jungen glaubte zu sehen, dass der Tote noch atme. „Der atmet noch“, rief er. Worauf ein Gekreische ertönte und eine Welle der Flucht in Bewegung kam. Viele Jungen –wohl mit vollgemachten Unterhosen –rannten spontan los und schrien laut. Sie zitterten noch Stunden später vor Angst. in der Nonne Gesicht las ich Befriedigung. Mit Angst öässt sich ein Kind leicht formen. Starr und das linke Auge noch etwas offen stehend grad so als blinzele er, sehe ich den Toten noch heute vor mir. Den toten Klosterbruders, zu dem wir Jungen nicht den Hauch bzw. geringste emotionalen Bezugs hatten und der uns eigentlich wildfremde Person war.

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